Schlichtung: So lassen sich Baustreitigkeiten auch beilegen
Mängel, Verzögerungen, Zahlungsstreitigkeiten - bei einem Bauprojekt läuft selten alles glatt. Immer wieder kann es zu Konflikten zwischen Bauherren, Handwerkern und Bauunternehmen kommen.
Für alle Beteiligten - aber insbesondere für die Menschen, die gerne ihre neue Immobilie beziehen würden - kann das zur Zerreißprobe werden. Geht der Streit vor Gericht, dauert es lange, bis ein Urteil fällt. Noch dazu planen Bauherren hohe Prozess- und Anwaltskosten in der Regel nicht ein. Eine elegantere Lösung kann ein Schlichtungsverfahren sein. Was es damit auf sich hat, klären wir anhand wichtiger Fragen.
Was steckt hinter einem solchen Schlichtungsverfahren?
Eine Richtlinie der EU schreibt vor: Verbraucherinnen und Verbrauchern in ganz Europa müssen neutrale Einrichtungen zur Verfügung stehen, die bei Streitigkeiten mit Unternehmen außergerichtliche Lösungen herbeiführen können. In Deutschland heißen diese Einrichtungen meist „Verbraucherschlichtungsstelle“.
Wer sich in Deutschland mit seinem Problem an eine Schlichtungsstelle wendet, holt unparteiische Experten an Bord. Im Idealfall findet der Schlichter für einen festgefahrenen Konflikt eine für beide Seiten akzeptable Lösung. Sind die Beteiligten mit dem Vorschlag einverstanden, können sie ihn annehmen und den Streit außergerichtlich beilegen.
Wichtig zu wissen: „Eine einseitige Beratung der Antragsteller dürfen die neutralen Schlichtungsstellen nicht leisten“, sagt Svenja Roth von der Universalschlichtungsstelle des Bundes. Wer sich erst über seine Ansprüche informieren möchte, muss vorher eine Verbraucherzentrale oder einen Rechtsanwalt aussuchen.
An wen kann ich mich wenden, wenn ich ein solches Schlichtungsverfahren anstrebe?
Für unterschiedliche Fälle gibt es unterschiedliche Schlichtungsstellen. Das Bundesamt für Justiz stellt im Netz eine Übersicht mit anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen zur Verfügung. Bei Konflikten mit Bauträgern - zum Beispiel beim Neubau oder Umbau eines Hauses - kann Verbrauchern etwa der Ombudsmann Immobilien weiterhelfen.
Für Streitigkeiten mit einem Handwerksbetrieb haben die Handwerkskammern eigene Vermittlungsstellen eingerichtet. Verbraucher können sich an die örtliche Handwerkskammer wenden. Wer sich mit Architekten oder Ingenieuren uneinig ist, kann sich an die GHV Gütestelle Honorar- und Vergaberecht wenden oder an eine Schlichtungsstelle der jeweiligen Landesarchitektenkammer.
Wer sich unsicher ist, kann sich an die Universalschlichtungsstelle des Bundes wenden. Denn es gibt Konstellationen, in denen keine der spezifischen Schlichtungsstellen zuständig ist. Dann übernimmt die Universalschlichtungsstelle oder verweist an die zuständige Adresse.
Auch manche Fachanwälte mit Zusatzausbildung bieten Schlichtungsverfahren an. Wer diesen Weg wählt, stellt den Schlichtungsantrag aber nicht direkt beim Fachanwalt, sondern zunächst bei der Gegenpartei, erklärt Ulrich Böttger von der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht (ARGE Baurecht) des Deutschen Anwaltvereins. Stimmt diese zu, können sich Betroffene an den Schlichter wenden. Eine Übersicht zu den Anlaufstellen stellt die ARGE Baurecht auf ihrer Webseite zur Verfügung.
In welchen Fällen kommt die Schlichtung infrage?
In festgefahrenen Konflikten zwischen Verbrauchern und Unternehmen. Voraussetzung: Verbraucherinnen und Verbraucher haben zuvor selbst vergeblich versucht, eine Einigung mit der Streitpartei zu erzielen. Streitbeilegungen zwischen Privatpersonen bearbeiten die Schlichtungsstellen nicht.
Ist eine Streitpartei gezwungen, an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen?
Nein, die Teilnahme ist nicht verpflichtend. „Beide Parteien müssen dem Schlichtungsverfahren zustimmen und können es ablehnen, wenn sie eine andere Lösungsmethode bevorzugen oder sich nicht auf eine Schlichtung einlassen möchten“, sagt Ulrich Böttger.
Auch ein schlichtender Fachanwalt kann die Schlichtung ablehnen, wenn er davon überzeugt ist, dass der Konflikt nur mithilfe eines Gerichtsprozesses gelöst werden kann.
Was kostet das Verfahren?
Das hängt vor allem davon ab, ob man sich an eine Verbraucherschlichtungsstelle oder an einen Fachanwalt wendet. Nach deutschem Recht dürften für Verbraucherinnen und Verbraucher bei anerkannten Stellen keine Kosten anfallen, erklärt Svenja Roth. Je nach Schlichtungsstelle werden zum Teil aber die Unternehmen zur Kasse gebeten.
Wer sich an einen Fachanwalt wendet, muss für das Schlichtungsverfahren bezahlen. Die Kosten hingen dann zum Beispiel von der Komplexität und dem Streitwert ab, sagt Böttger. Trotzdem sei die Schlichtung auch in diesem Fall „definitiv günstiger“ als ein Bauprozess.
Wie lange dauert das Schlichtungsverfahren?
„Das variiert von Stelle zu Stelle“, sagt Roth. Die anerkannten Stellen hätten die Vorgabe, dass ein bestimmter Verfahrensabschnitt nicht länger als 90 Tage dauern darf. Bei der Universalschlichtungsstelle habe die durchschnittliche Verfahrensdauer im Jahr 2022 zum Beispiel 26,5 Tage gedauert.
Wie aussichtsreich ist das Verfahren?
Der Erfolg einer Schlichtung hängt laut Roth vor allem von der Teilnahmebereitschaft der Parteien ab. Ist ein Unternehmen nicht zur Schlichtung bereit, endet ein Verfahren erfolglos. Ob ein Unternehmen dazu bereit ist oder nicht, können Verbraucherinnen und Verbraucher schon vor Vertragsschluss prüfen. Unternehmen, für die das gilt, weisen im Impressum oder den allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hin.
Zudem ist auch bei einer Schlichtung die Rechtslage entscheidend. Ist der Verbraucher oder die Verbraucherin mit seiner oder ihrer Auffassung nicht im Recht, kann das Verfahren zu deren Ungunsten enden - und so als Misserfolg gewertet werden.
Das Schlichtungsverfahren ist Roth zufolge aber eine gute Alternative. Der Versuch lohnt sich. Immerhin sei so kostenfrei ein niedrigschwelliger Zugang zum Recht möglich.
Was passiert, wenn sich die Streitparteien nicht einigen können?
Grundsätzlich steht es den Streitparteien frei, ob sie den ausgearbeiteten Schlichtungsvorschlag annehmen oder nicht. Kommt es nicht zu einer Einigung, können die Parteien immer noch vor Gericht ziehen.
Von Christoph Jänsch/ dpa